Fortschritt & Tradition
Albrecht Jung
»Wenn ich heute auf die vergangenen 50 Jahre zurückblicke, so darf ich mit Freude und Dankbarkeit feststellen, dass Gott meine Arbeit sichtbar gesegnet hat. Kriege, Inflation und Wirtschaftskatastrophen vernichten oft über Nacht die Ergebnisse mühevoller Arbeit. Dank seiner Gnade gelang es, meine Firma durch all diese Wirrnisse hindurchzuführen.«
Dies schrieb der damals 90-jährige Albrecht Jung, Gründer der Albrecht Jung GmbH, anlässlich des 50-jährigen Betriebsjubiläum am 3. Dezember 1962 seiner Firma als Vorwort in die Jubiläumsschrift.
100 Jahre Jung – unter diesem Motto standen die Feierlichkeiten 2012: 100 Jahre Schalter und Steckdosen „Made in Germany“. Ein seit 100 Jahren Familiengeführtes Unternehmen. Dabei fing 1912 alles Bescheiden an. Die Fotos zeigen Firmengebäude und Werkstatt der jungen Firma 1920. aber der legendäre Zugschalter mit 1/8-Drehung begründete den Beginn des heute weltumspannenden Unternehmens.
Als ich das oben genannte Zitat las, wusste ich, dass ich es an den Anfang dieser Firmengeschichte stellen müsse. Es sagt viel aus über den Firmengründer Albrecht Jung und über seine gleichnamige Firma. Fortschritt, Tradition, Bodenständigkeit und Verbundenheit mit dem Land, der Gegend und der Gemeinde schrieb er sich genauso auf die Fahnen wie Weltoffenheit und Respekt Andersdenkenden gegenüber. Stolz erfüllte ihn auf seine Mitarbeiter wie auf sich selbst, dem Firmengründer, Firmenlenker, Visionär und Erfinder, ohne den die Welt der elektrischen Schalter sicherlich um einige Erfindungen und Erfahrungen ärmer wäre.
Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter nach der revolutionären Industrialisierung in Europa, vor allem in Deutschland. Die Grundsteine waren gelegt, die Erfinder und Ingenieure für eine Epoche des technischen Fortschritts und der Innovationskraft zu nutzen wussten. Made in Germany war mittlerweile ein Begriff für Qualität, für Produkte, die mit ihren ausgereiften Funktionen auf dem höchsten Stand der Technik waren. In ganz Deutschland gab es tatkräftige Firmengründer, Pioniere, die ihre Ideen und Erfindungen in die Tat umsetzen wollten und deren Gesellschaften teilweise bis heute noch im Sinne und der Tradition der Gründergeneration bestehen und oft auch noch maßgeblich von dessen Nachkommen geführt werden. Leider ist dieser Pioniergeist in den heutigen Zeiten manchmal Mangelware!
Der damals 40-jährige Elektromechaniker Albrecht Jung erfand in seiner Kellerwerkstatt den Zugschalter mit der legendären 1/8-Drehung. Seine Erfindung war keine Eintagsfliege, sondern das Prinzip ist bis heute die Grundlage der Schalterkonstruktion. Mit der Patentierung dieser grundlegenden Erfindung gründete er 1912 im Örtchen Schalksmühle im beschaulichen Sauerland die Firma, die bis heute seinen Namen trägt. 1919 trat sein späterer Schwiegersohn Ernst Paris in die Firma ein, was sich später als Glücksfall herausstellte. Ganz besonders ihm ist es zu verdanken, dass das Unternehmen die Wirren der Kriegsjahre bis 1945 und die darauf folgenden Nachkriegsjahre schadlos überstanden hat und der Grundstein für eine zukunftssichere Weiterentwicklung gelegt wurde. So konnte 1941 das Zweitwerk in Lünen errichtet werden, das heute eine eigenständige Betriebsstätte mit 250 Mitarbeitern in Produktion und Logistik beschäftigt. Weitblick und umsichtiges Handeln zeichneten seinen Charakter aus. 1960 übernahm dann mit Siegfried Jung die nachfolgende Generation die Firmenlenkung. Er machte gemeinsam mit Theodor Schulte aus der Firma Jung eines der weltweit führenden Unternehmen der Schalterindustrie.
Die Firmengeschichte steht für eine Reihe sinnvoller innovativer Produkte, die sich am Bedarf des Marktes orientieren. Zu den wegweisenden Produktentwicklungen gehörte zum Beispiel der in den sechziger Jahren präsentierte Tastenschalter. Dieser Schalter löste die Kipp- und Drehmodelle ab und wurde zum Klassiker und Vorbild für andere Hersteller. Mit steigenden Ansprüchen steht nicht mehr nur alleine die Funktion im Mittelpunkt, ein anderes wesentliches Merkmal wird immer stärker nachgefragt: das Design. Das Zusammenspiel von Funktion und Design ist seit Ende der sechziger Jahre ein immer größer werdendes Bedürfnis des Endkunden. Designagenturen, die es ebenfalls seit den frühen sechziger Jahren gibt, zeichnen Designprodukte mit Preisen aus. Der Begriff Design ist auch an den unscheinbarsten, täglich benutzten Gegenständen des Hauses, die erst auffallen, wenn sie einmal nicht funktionieren, nicht spurlos vorbei gegangen und hat auch die Welt der Schalter verändert.
1969 brachte das Unternehmen einen Designschalter auf den Markt, der bahnbrechendes Vorbild für viele Schaltergenerationen ist und war und der bis heute ein Klassiker unter den modularen Schaltern darstellt, die 81 mal 81 Zentimeter großen, quadratischen Schalter der Serie LS 990.
Zum einen umfasst das Angebot Schalter, Steckdosen, Dimmer und Wächter in den unterschiedlichsten Varianten für jeden Einsatzzweck, oft auch mit einem Zusatznutzen ausgestattet, wie etwa die Schalterreihe AS 500 aus antibakteriellem Material. Die zweite Gruppe besteht aus Anlagen und Systemen, die spezielle Managementaufgaben in Haus oder Wohnung übernehmen. Dazu gehören unter anderem die Steuerung von Jalousien, Rollläden und individuellen Lichtszenarien sowie der Funkbereich. Ebenso bietet die Türkommunikation mit ihren zahlreichen Funktionen ein breites Einsatzspektrum. Außerdem stehen mit dem bewährten KNX-System alle Möglichkeiten einer vernetzten Gebäudesystemtechnik zur Verfügung. Die Entwicklung und Produktion zahlreicher innovativer Elektronik-Bausteine liegt in der Verantwortung der beiden Tochterfirmen Insta und ELKA – ein Firmenverbund der Unternehmen Gira und Jung. Es entstehen neue Ideen, die dann dort auch fertigungstechnisch umgesetzt werden. Über 600 Mitarbeiter garantieren hohe Produktqualität und Lieferbereitschaft, die sich seit mehr als 40 Jahren im Markt bestens bewährt haben. Bei ELKA, einer 100-prozentigen Tochter von Insta, liegt der Schwerpunkt der Entwicklung im Bereich von Software für Elektronik-Komponenten.
Das Unternehmen produziert ausschließlich in Deutschland und kann zurecht das Label „Made in Germany“ tragen. Jährlich werden 12 Millionen Steckdosen auf flexiblen Montagelinien gefertigt, über 1000 Steckdosenvarianten sind im Angebot.
Vor etwas 20 Jahren übernahm mit dem Gründerenkel Harald Jung unter seinem Leitsatz „Fortschritt als Tradition“ die dritte Generation die Geschäftsführung und strategische Ausrichtung des Unternehmens. Unterstützt von den Partnern Heinz-Jürgen Kuhn und Malte Vinck hält das Unternehmen an dem eingeschlagenen Kurs fest: eine Vielzahl von innovativen Systemen in technisch höchster Qualität und funktionsgerechtem Design anzubieten.
Text: Jürgen Brandenburger | Bildnachweis: Hersteller
Historisches Bildmaterial aus längst vergangenen Jahren. Produktion der Schalter und Steckdosen sowie ein Steckdosenhalbautomat aus dem Jahr 1959. Messestand und Packstube aus den Gründerjahren. Alles gehört der Vergangenheit an. Der Schalterhersteller präsentiert sich heute als innovatives, zukunftsorientiertes und traditionsbewusstes Familienunternehmen.
Innovationen in Design und Technik präsentiert das Unternehmen alle zwei Jahre auch auf der light+building, der Weltleitmesse für Architektur und Technik in Frankfurt am Main. Klar im Design, klar in der Bedienung: KompakterRaumcontroller mit Display (LINKS). Gelaserte Symbole auf den Tasten weisen international verständlich auf die Funktionen hin.