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Das Lebenswerk von Le Corbusier, dem visionären Weltarchitekten, haben wir bereits im Porträt ab der Seite 024 gewürdigt. Le Corbusier war aber nicht nur Wegbereiter für industrielles, schnörkelloses Bauen, er hat auch die Welt der Farben neu definiert. Er hat die starke Wirkung von Farben auf Räume, Objekte und Menschen zu nutzen gewusst. Farben erinnern den Menschen an die Verbundenheit mit der Natur, sie stimulieren ihn und beeinflussen seine Stimmungen so unmittelbar wie sonst wohl nur die Musik. Genau aus diesem Potenzial wollte Le Corbusier schöpfen. Er entwickelte die einzigartige „Polychromie architecturale“ mit insgesamt 63 gekonnt definierten Farbnuancen, deren Intensität und Leuchtkraft bis heute unübertroffen sind. Im Laufe der Zeit gerieten nicht nur die Farben, sondern auch die Rezepturen in Vergessenheit. Seit einigen Jahren erfreuen sich jedoch die Farben einer Renaissance. Diese originalgetreuen, stark pigmentierten und dadurch intensiv leuchtenden Farben finden verstärkt wieder Verwendung: bei Wandfarben, Tapeten, Böden, Möbeln, Fassaden, Heizkörper, Lichtschalter, Lampen und Bauelementen.

Architekturfarben

Die Suche nach Raum, nach Licht, nach Freude, nach Kraft, nach Gelassenheit lädt uns ein, die Farbe, Tochter des Lichtes, zur Hilfe zu rufen.«  Le Corbusier

Für Le Corbusier stand die räumliche und physiologische Wirkung der Farbtöne auf den Menschen bei der Entwicklung seiner Farben im Vordergrund. Er schloss jene Farben aus, die er als unarchitekto-nisch einstufte, und wählte gezielt Farbtöne, deren räumliche und physiologische Wirkung miteinander harmoniert und unter Berücksichtigung des Lichts ein Zusammenspiel von Farben, Intensität und Schattierungen erzeugt.

 

Le Corbusier begrenzte sich auf die räumlichen und physiologischen Farbwirkungen. Eine so weitgehende Symbolik von Farben wie in dieser Textvorlage kann nicht allein auf Le Corbusier zurückgeführt werden. Vielmehr wählte Le Corbusier seine Farbnuancen so aus, dass keine negativen Empfindungen entstehen, das heißt: Rot ist nicht gleich Rot, Blau nicht Blau – es kommt auf die Rot- und Blaunuancen an.

Die Vertrautheit des Betrachters mit den ausgewählten Farben impliziert Assoziationen: Rot ist stimulierend, symbolisiert Kraft und Heftigkeit. Die Farbe Blau verbindet die subjektiven Empfindungen von Himmel und Meer, aber auch Tiefe und Kälte. Grün reflektiert die Vegetation, Vertrautheit, Gesundheit. Weiß steht für Reinheit, Helligkeit, Unberührtheit, aber auch für Trauer. Schwarz, die Summe aller Farben, die Farbe mit der höchsten Dichte, steht für Trauer, für Tiefe, wirkt aber auch seriös und feierlich. Schwarz ist neben Weiß die meist benutzte Farbe, vor allem in der Mode ist Schwarz nicht wegzudenken. Le Corbusier hat in seiner Polychromie nur einen schwarzen Farbton definiert. In der Architektur spielt Schwarz eine untergeordnete Rolle.

Weiß, die hellste aller Farben, ist die am weitesten verbreitete Farbe, vielerorts wird Weiß eingesetzt, da es keine Geschmacksfragen stellt und mit fast allen anderen Farben kombinierbar ist. Insbesondere als Architekturfarbe ist es die ungekrönte Königin aller Farben. Obwohl die Farbe so stark in unserem Umfeld dominiert, sprechen uns bunte Farben oft viel stärker an, was viele Beispiele beweisen. In der Mode dominieren bunte T-Shirts und Tücher, Herrenausstatter preisen sogar farbige Socken zum schwarzen Anzug an und auch in der Architektur der klassischen Moderne sind Farben nicht wegzudenken.

Le Corbusier, den das Thema Farben schon immer umtrieb, entwickelte bereits 1931 eine Auswahl von 43 Farben, denen 1959 weitere 20 Nuancen folgten. Er setzte die Farben mit in den Mittelpunkt seiner puristischen modernen Architektur.

 

Farben bildeten bereits einen Schwerpunkt seiner Schaffenskraft, als er 1912 erstmals ein Bauobjekt verantwortete. In seinem Geburtsort La Chaux-de-Fonds übernahm er Planung, Entwurf und Bauleitung für die elterliche Villa Jeanneret-Perret (Maison Blanche). Schon in diesem Erstlingswerk waren Farben ein wichtiges Thema, so ließ er eine Wand im Eingangsbereich leuchtend ultramarinblau streichen und in den Innenräumen die Wände mit farbigen „Salubra-Tapeten“ tapezieren. Nach der vor einigen Jahren durchgeführten Sanierung des Hauses wurde der Originalzustand wiederhergestellt und die Farben und Tapeten, darunter auch die berühmten grünen Blumenmuster, wurden wieder sichtbar.

Der Tapetenhersteller Salubra spielte auch später noch eine wichtige Rolle für Le Corbusier, denn 1931 entwarf er in Zusammenarbeit mit diesem Hersteller eine beeindruckende Tapetenkollektion. Für diesen Anlass entwarf er sein wegweisendes normatives Farbschema zur Inszenierung und Harmonisierung der Farben, die Le Corbusier als wesentlich für das Wohlbefinden des Menschen erachtet. Als zentrales Instrument seiner Farbenlehre entwickelte er natürliche Farbstimmungen namens „Claviers de couleurs“. Die Farbmusterkarten enthalten eine Schablone, von ihm „Brille“ genannt, die den Betrachter befähigen sollte, die originalgetreuen Farbabbildungen harmonisch miteinander nach den Empfindungen und Bedürfnissen des Betrachters zu kombinieren. Wer seinem Gefühl folgend einen Farbton aussucht und die Schablone daraufhin ausrichtet, bekommt innerhalb des Schablonenausschnittes eine stimmige Kombination von drei bis fünf Farben angeboten. Alle Farben passen harmonisch zueinander, jedoch empfindet sie nicht jeder Betrachter gleich, was nicht bedeutet, dass sie untereinander unpassend sind. Somit wurde eine einfache Umsetzung von harmonischen Farbkonzepten ermöglicht, während disharmonische Farbkonzepte und Stilbrüche verhindert werden. Erstmals konnten Bauherren und Architekten, Innenarchitekten oder Designer ganz leicht geeignete Farbkombinationen zwischen Farben und Tapeten herstellen.

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Farben setzen Akzente und können Räume bzw. Raumvolumen optisch verändern oder dynamisieren. Beispielsweise wirkt ein hoher Raum durch einen dunklen Anstrich der Decke im Kontrast zu hellen Wänden niedriger, während eine helle Decke in Verbindung mit dunkleren Wänden den Raum und das Raumvolumen streckt.

Auch den Effekt des Auflösens oder Schließens eines Raumes vermag die Farbgebung von Decken und Wänden zu erzeugen: Werden alle vier Wände und die Decke in demselben Farbton gestrichen, wirkt ein weithin offener Raum geschlossen. Umgekehrt sollte in einem kleinen und schmalen Raum die Stirnwand dunkel gestrichen werden, damit der Raum größer wirkt. Le Corbusier war der Magier der Farbstimmungen und der damit verbundenen Beeinflussung von Raum und Empfinden.

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Seit den 1920er Jahren benutzte Le Corbusier eine streng begrenzte Familie von meist mineralischen Farbpigmenten, die er als Grande Gamme (Große Farbreihe) bezeichnete. Dazu gehörten gelber und roter Ocker, Erdfarben, Weiß, Schwarz, Ultramarin und die daraus ableitbaren Farbtöne. Diese Farbnormierung machte ihn unabhängig von den inzwischen unzählig vorhandenen Angeboten der Farbenindustrie.

Ein spektakuläres Beispiel für Corbusiers Farbarchitektur ist der Justizpalast im indischen Chandigarh. Die Planstadt wurde in der Mitte des 20. Jahrhunderts gegründet, der Auftrag für die Stadtplanung ging auf Wunsch des indischen Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru an Le Corbusier. Auffällig an seinem Konzept für die neue Hauptstadt des indischen Punjab ist die nach Funktionen getrennte Gliederung der Stadt, sein berühmtestes Vermächtnis sind aber die monumentalen Regierungsbauten, darunter der Justizpalast. Seine farbig gestaltete Fassade schrieb Architekturgeschichte: Für die Auswahl der geeigneten Farben brauchte Le Corbusier mehrere Jahre, mit der Realisierung war er zunächst jedoch unzufrieden.

»Ich bin extrem besorgt und betrübt, solche Farben zu sehen. Ich habe nie die Anweisung zu ihrer Verwendung erteilt […]«,

beschrieb Le Corbusier im Oktober 1962 in einem Brief an seinen Cousin Pierre Jeanneret seine Verärgerung. Die Farben am Justizpalast von Chandigarh hinterließen auf ihn einen geradezu deprimierenden Eindruck.

»Für Farbliebhaber ist der Eingang prächtig und nicht deprimierend«,

entgegnete Pierre Jeanneret auf Le Corbusiers Vorwürfe. Und er behielt recht damit, denn Le Corbusier hatte seinen negativen Eindruck nur anhand von Fotografien gewonnen, die ihm sein Cousin nach Paris gesandt hat. Diese geben jedoch die auf der Baustelle in Indien verwendeten Farben verzerrt wieder, wie ihm Jeanneret nach einem Abgleich der Aufnahmen mit den Originalfarben vor Ort versicherte. Das Ausmaß von Le Corbusiers Enttäuschung veranschaulicht die Bedeutung der Farben für sein Schaffen. Das Leuchten der für den Beton des Justizpalastes gewählten Farben illustriert Le Corbusiers Vision von der Kraft der Farben.

 

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Mit seiner „Polychromie Architecturale“ entwickelt Le Corbusier einen theoretisch fundierten Ansatz, mit dem Entwürfe von Beginn an farbig gedacht werden können, ein Schlüsselwerk für den Einsatz von Farben überhaupt. Seine Farbenskala folgt bestimmten Prämissen, damit die Farben nicht rein dekorativ Räume verzieren, sondern Räumen Wirkungen verleihen.

1. Farbe modifiziert den Raum: „Blau und seine grünen Mischungen schaffen Raum, geben Distanz, erzeugen Atmosphäre, rücken die Wand in die Ferne. Rot (und seine braunen, orangefarbenen und anderen Mischungen) fixieren die Wand, bekräftigen ihre exakte Lage, ihre Dimension, ihre Präsenz.“ Le Corbusier

2. Farbe klassifiziert Objekte: »Monochromie erlaubt die exakte Einschätzung der Volumina des Objekts. Polychromie (zwei, drei Farben usw.) zerstört die reine Form des Objekts, verändert sein Volumen, widersetzt sich der exakten Einschätzung dieses Volumens und ermöglicht es umgekehrt, von einem Volumen nur das ins Bewusstsein treten zu lassen, was man zeigen möchte: ganz gleich ob Haus, Intérieur oder Objekt.« Le Corbusier

3. Farbe wirkt auf uns physiologisch und reagiert stark auf unsere Sensibilitäten.

Le Corbusiers Architekturfarben lassen sich für Grundflächen und als Akzentfarben einsetzen. Sie sind der Natur entnommen und lassen sich zu eindrucksvollen Farbstimmungen kombinieren. Seine Farbklaviaturen ermöglichen die einfache Farbauswahl nach persönlichem Empfinden. Die mit Salubra geschaffenen Kollektionsbücher sind heute die gesuchtesten und teuersten Publikationen Le Corbusiers.

 

 

Originalzeichnungen von Le Corbusier

Noch zu Lebzeiten bestimmte er, dass sein Lebenswerk von der Fondation Le Corbusier weitergeführt werden soll. Die Stiftung wurde 1968 gegründet und hat ihren Sitz in den Villen La Roche-Jeanneret in Paris, die selbst ein Schlüsselwerk zum Verständnis von Le Corbusiers Schaffen sind. Die Firma Les Couleurs Suisse AG mit Sitz in Zürich erhielt von der Fondation Le Corbusier in Paris den Auftrag und die exklusiven Rechte, die einzigartige „Polychromie Architecturale“ weltweit zu fördern und ausgewählten Unternehmen in Architektur und Design die Farbklaviaturen von Le Corbusier für herausragende Produkte zu eröffnen.

Les Couleurs Suisse bietet ausgewählten Unternehmen eine Lizenz-Partnerschaft und erbringt für ihre Netzwerkpartner fundierte Dienstleistungen entlang eines integrierten Konzeptes konsistenter Komponenten. Die Dienstleistungen der Les Couleurs Suisse umfassen individuelle Produkt- und Marktkomponenten. Die Les-Couleurs®-Le-Corbusier-Partner differenzieren sich im Wettbewerb durch Premium-Positionierung, höchste Qualität, gekonntes Design und Ästhetik sowie durch Unternehmertum.

Das exklusive Netzwerk Les-Couleurs®Le-Corbusier ist noch sehr jung: Erst vor rund fünf Jahren begann Les Couleurs Suisse mit dem Angebot von Lizenz-Partnerschaften für ausgewählte Unternehmen.

Text | Jürgen Brandenburger
Fotos: © FLC/ADAGP
Produktabbildungen: Les Couleurs Suisse AG