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Historischer Baubestand neu definiert Kontrastanbau

Neue Nutzung eines Klosteranwesens
Der lang gehegte Wunsch nach einem sanierungsfähigen, historischen Fachwerkhaus ging für das Ehepaar nach langem Suchen endlich in Erfüllung: Es war „Liebe auf den ersten Blick“. Als ihren Traum bezeichnen die stolzen Eigentümer das Anwesen noch heute, trotz der umfangreichen Sanierungsarbeiten und der dabei teilweise unvorhergesehenen Schwierigkeiten und des hohen Kapitaleinsatzes.

Unweit von Mainz, in der größten Weinbaugemeinde von Rheinhessen, stand ein ursprüngliches Weingut zum Verkauf, das zu einer landwirtschaftlichen Niederlassung eines Klosters gehörte. Das aus dem 15. bis 16. Jahrhundert stammende Fachwerkhaus, das das Herzstück der Anlage bildet, wurde mittels eines modernen Verbindungsbaus mit dem danebenstehenden Kelterhaus aus den 1970er Jahren verbunden. Durch diese Leitidee des Architekten entstand die gewünschte sogenannte „geschlossene Hofreite“, ein geschützter Hofraum, der vom Hausensemble umschlossen wird.

Das Kelterhaus wurde in den 1970er Jahren in der damals typischen Satteldach-Architektur direkt an das Fachwerkhaus angebaut. Der Entwurf sieht vor, diese bauliche Verbindung wieder klar vom historischen Baubestand zu lösen, indem das Obergeschoss des Kelterhauses durch einen neuen Dachstuhl ergänzt wird, der sich an der Höhe und der Dachform der Scheune orientiert, die sich zur anderen Seite anschließt. Als Verbindung zwischen Fachwerkhaus und Kelterhaus wird anstelle der alten Verbindung ein „transparentes Gelenk“ eingesetzt: ein verglaster Zwischenbau, ähnlich einem kubischen Wintergarten mit Flachdach. So wurde der zentrale architektonische Ansatz der Planung erfüllt, dass sich der Verbindungsbau sowohl vom historischen Fachwerkhaus als auch vom westlich gelegenen Kelterhaus klar abhebt. Zwischen den beiden Häusern entstand ein modernes Objekt, das die beiden Bestandsobjekte miteinander zu einem Ensemble verbindet, zugleich aber die Trennung von Alt und Neu akzentuiert.

Das gesamte architektonische Konzept ist darauf ausgelegt, diese angestrebte Trennung durch moderne, den Bestand kontrastierende Materialien und eine ausdrucksvolle Formensprache klar zum Ausdruck zu bringen. Dieser Kontrast vollzieht sich nicht nur im äußeren Erscheinungsbild der Bauten und im Garten, sondern wird kontinuierlich auch in der Innenarchitektur fortgesetzt. Auffälligstes Merkmal ist sicher die Faserbetonfassade des Kelterhauses, welche den Baukörper klar vom historischen Gehöft abhebt. Im Innenraum wurde die vorhandene Bausubstanz in ihrer Ursprünglichkeit herausgearbeitet und durch einen modernen Innenausbau mit den immer wiederkehrenden Materialien Stahl, Holz und Beton ergänzt.

Die alte Kelterhalle mit ihren großen Toren wurde verglast und mit einem homogenen Bodenbelag versehen, der in den Außenanlagen als Band aus Kopfsteinpflaster fortgeführt wird. So entstand auf einem 2000 Quadratmeter großen, fünf Meter ansteigenden Grundstück ein in sich geschlossenes Areal, das über die beiden Einfahrtstore zugänglich ist. Abgegrenzt ist es rechter Hand durch eine Mauer und linker Hand über das Hausensemble gegenüber den benachbarten Grund­stücken. Die Mauer umhegt, ähnlich einer Klostermauer, auch die zum Grundstück gehörende Rasenfläche und die im Schnittpunkt der beiden Häuser angelegte Terrasse nach hinten. Auf die Häuser mit unterschiedlichen Geschossen verteilen sich insgesamt 360 Quadratmeter Wohnfläche, die Raumhöhe variiert je nach Haus zwischen 2,5 und 4 Metern. Neben der Unterkellerung wurde der ebenfalls historische große Gewölbekeller saniert und erhalten.

Die ursprüngliche Fachwerkkonstruktion an der Fassade und im Innern, bestehend aus Balken und Pfosten, wurde weitgehend erhalten und teilweise erneuert, auch hier wurde auf die eindeutige Trennung zwischen Alt und Neu großer Wert gelegt. Der Grundriss erlaubt eine großzügige Aufteilung der Räume, die über Treppen miteinander verbunden sind. Eine großzügige Roh-Stahlwangentreppe erschließt die einzelnen Geschosse im Fachwerkhaus. Der Lehmputz im historischen Teil wurde saniert, alle anderen Wände und Decken, abgesehen von den Sichtsteinwänden, glatt gespachtelt und weiß gestrichen. Die Böden wurden mit Eichendielen ausgelegt, die sanitären Räume mit großflächigem Feinsteinzeug gefliest.

Der Boden im Verbindungsbau erhielt einen glatt geschliffenen Sicht­estrich. Die hochmoderne Küche und Bädereinrichtungen sowie maßgefertigte Wandeinbauelemente mit Schränken und Auszügen sowie teilweise stumpf eingeschlagene flächenbündige Türen gehören zur aufwendig gestalteten Innenarchitektur. Das Hausensemble ist als „KFW-Effizienzhaus Denkmal“ klassifiziert.

Text | Jürgen Brandenburger
Fotografie | Frank Schuppelius

Architekt | Morber Jennerich Architekten PartGmbB, www.morber-jennerich.de