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Traditionen bewahren, Neues erbauen

Jahrhunderte alte Bautraditionen erhalten und auf dieser Grundlage Neues errichten – das ist die Aufgabe der spanischen Architekten Eduardo Cadaval und Clara Solà-Morales im nordspanischen Canejan. Das Anwesen ist ein hundert Jahre altes Bauerngehöft, das seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet wurde und nun zum Zweitwohnsitz und Feriendomizil des Besitzers umgebaut werden soll. Es liegt in dem zerklüfteten Valle de Arán der Region Katalonien inmitten der spanischen Pyrenäen. Bekannt ist die Gegend nicht nur als größtes Wintersportgebiet Spaniens, sondern auch als erdbebengefährdetes Gebiet.

Trockenmauern sind der ideale Baustoff für die tektonisch aktive Region und deshalb schon seit Hunderten Jahren die angewandte Bauweise. In der Geologie beschreibt die Tektonik den strukturellen Aufbau der Erdkruste sowie ihre großräumigen Bewegungen. Aus den im Gelände beobachteten Faltungen, Klüftungen und Schieferungen von Gesteinspaketen und einzelnen betroffenen Gesteinen schließt der Geologe auf Richtung, Stärke, Dauer und Zeitpunkt dieser Bewegungen. Diese möglichen tektonischen Verschiebungen waren bei diesem Bauvorhaben zu beachten. Die unverkennbar guten Eigenschaften der alten Substanz wie Kompaktheit, Massivität, minimale Öffnungen sowie die schönen Innenräume mit Charakter sind optimal für den Standort dieses Hauses auf dem Gipfel eines Berges, von dem aus sich ein dramatisch schöner Blick in zwei Täler eröffnet.

Das Haus steht auf der letzten Bauebene, der letzten Bauplatte des kleinen Ortes. Der untere Teil des ehemaligen Gehöftes wurde komplett saniert und weitestgehend erhalten, alte Gebäudeteile, die im Laufe der Jahre verfallen waren, wurden in traditioneller Bauweise und mit bewährten Materialien neu errichtet. Das Haus wurde horizontal strukturiert, was bei Bedarf sogar eine Aufteilung in zwei unabhängige Hauseinheiten erlauben würde. Augenfällig ist der neue obere Teil des Objekts, dessen großes, mächtiges, durchgehendes Dach spitz nach oben zuläuft. Diese Bauweise verhindert, dass im Winter große Schneemassen längere Zeit darauf liegen bleiben und das Dach zu große Lasten tragen muss. Auf der Vorderseite des Hauses liegt das Dach auf der Hausmauer auf, wogegen auf der hinteren Seite das Dach direkt auf dem Bergfelsen aufliegt und sich somit optisch perfekt in die traumhaft schöne bergige Landschaft einfügt.

Die beiden Giebel des Hauses wurden vollflächig verglast, so wird die Kompaktheit der Trockenmauern mit der gläsernen Transparenz zeitgenössischer Architektur verbunden. Auf der Vorderseite, die gleichzeitig die sogenannte Wetterseite ist, wurden acht kleinere, rechteckige Fenster eingebracht, die einen grandiosen Blick in das tief abfallende, zerklüftete Tal zulassen und die Morgensonne ins Haus locken. Um die Stimmung der oftmals beeindruckenden Sonnenuntergänge einzufangen, wurden auf der Rückseite des dort tiefgezogenen Daches unweit vom First schmale festverglaste Dachflächenfenster installiert. Dramatischer kann ein Haus kaum in Szene gesetzt werden.

In der unteren Ebene, dem alten, traditionellen Teil, wurden die Schlafräume und Bäder sowie separate WCs untergebracht. Wie der obere Teil ist diese Ebene in zwei Teile trennbar. Ebenerdige Austritte auf die fast umlaufende Terrasse bieten im Sommer die Möglichkeit, jederzeit schnell ins Freie zu geraten. Der obere neue Teil besteht aus zwei großen Räumen, dessen Eingänge auf der rückwärts gewandten Seite liegen. Die Räume können bei Bedarf auch zu einem großen Raum zusammengeführt werden. Beide sind mit jeweils einer modernen Einbauküche mit allen notwendigen Gerätschaften sowie einem offenen Holzkamin ausgestattet. Als Trennwand zwischen den beiden Wohneinheiten wurden bis in den First reichende Einbauschränke, die üppigen Stauraum bieten, maßgefertigt eingebaut. Hochwertiges Landhausdielen-Parkett verleiht den Räumlichkeiten Behaglichkeit und Wärme.

Text | Jürgen Brandenburger
Fotografie | Santiago Garcés

Projektname | Haus in den Pyrenäen
Wohnort | Canejan, Valle de Arán (Spanien)
Projekt | Eduardo Cadaval & Clara Solà-Morales
Mitarbeiter | Mariona Viladot, Alex Molla, Pernilla Johansson
Konstruktiver Ingenieurbau | Carles Gelpi
Construction Management | Ballarin TGN, SL
Für weitere Informationen |  Cadaval & Solamorales www.ca-so.com