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Weißes Prisma auf einem Betonsockel Neues ergänzt Altes

Ein charmantes historisches Holzhaus bot nicht mehr genügend Platz für eine junge neunköpfige Familie. Alle Familienmitglieder sollten in Zukunft ihren eigenen Rückzugsbereich bekommen. Eine Aufstockung des Hauses kam genauso wenig in Frage wie ein Abriss und anschließender Neubau, da das Haus als denkmalgeschütztes Objekt eingestuft wurde. Nach langen Überlegungen und intensiven Verhandlungen mit den zuständigen Behörden entschlossen sich Eigentümer und Architekten für einen Erweiterungsbau neben dem Bestandshaus. Beide Objekte sollten durch einen Tunnel verbunden werden. Die Auflage bestand nun darin, am Bestandshaus nichts zu verändern und den Erweiterungsbau an die Giebelbauweise des Denkmalobjektes anzupassen.

Der Neubau spiegelt die ursprüngliche Dimension des Bestandshauses wider, ohne dieses jedoch optisch zu dominieren. Stattdessen sollten beide Gebäudeteile miteinander kooperieren. Außerdem bezog die Planung die umgebende Natur mit ein, sodass die beiden Objekte nicht als Fremdkörper wahrgenommen werden. Vielmehr wurde die Schönheit der landschaftlichen Umgebung in das architektonische Ensemble integriert. Der Neubau gleicht äußerlich einem weißen Prisma auf einem grauen Betonsockel. Dabei erscheint er wie eine veredelte Version des bestehenden Hauses. Der Erweiterungsbau steht so einerseits im Kontrast zum ursprünglichen Gebäude, bleibt ihm und dessen Lage andererseits jedoch verpflichtet. Das Blechdach und die dunkle Holzverkleidung sind im Farbton der glatten und glänzenden Rinde der umstehenden Birken nachempfunden.

Beide Objekte zusammen bilden eine Einheit, über einen verglasten Verbindungstunnel sind sie miteinander verbunden. Die abfallende Topografie ermöglichte eine zweistöckige Bauweise, so entstanden insgesamt etwa 150 Quadratmeter neuer Wohnraum. Betreten wird das Haus über den Neubau. Der Eingangsbereich ist mit einer dunkel gestrichenen Holzverschalung versehen. Diese steht in starkem Kontrast zur weiß gestrichenen Holzverschalung, die die Betonhülle und die hinterlüftete Fassade umgibt. Das sich aus dem Hang erhebende Untergeschoss weist eine natürliche raue Betonoberfläche auf, das aufgesetzte Obergeschoss ragt auf der dem See zugewandten Seite etwas über das Untergeschoss heraus. Die Beton-Kubatur entstand aus Dämmbeton, das Dach ist stark isoliert und mit Blech bedeckt. Damit weisen beide Dächer die gleiche Materialität auf und entsprechen so den Vorgaben der Behörden. Hinter dem Eingangsbereich öffnet sich ein offener Raum mit bodentiefen Fenstern, die einen spektakulären Blick auf den unmittelbar davor liegenden See bieten. Alle Böden des Erweiterungsbaus sind aus geschliffenem und poliertem Beton mit versiegelter Oberfläche.

Die Sanitärräume wurden mit Feinsteinzeug gefliest. Decken und Wände sind glatt gespachtelt und weiß gestrichen, ein Teil weist die gleiche dunkle Holzverlattung auf, die bereits im Eingangsbereich Verwendung fand. Auch im Inneren entsteht so ein starker Kontrast. Als zentrales Element plante der Architekt einen großen offenen Holzkamin. Er befindet sich inmitten der großen Einraum­architektur des Erdgeschosses, die das Wohnzimmer beherbergt. Eine holzverschalte geschwungene Betontreppe führt sowohl ins Untergeschoss mit Elternschlafzimmer, Ankleide und Bad als auch ins Dachgeschoss, in dem ein Teil der Kinder- und Spielzimmer sowie ein separates Bad untergebracht sind. Alle Schränke sind maßgefertigt.

Sie wurden vom ortsansässigen Schreiner flächenbündig in den Wänden, Nischen und Ecken eingebracht, die vom Architekten geplant und entworfen wurden. Als aufwendiges Stilelement fügt sich der gläserne Übergang vom Erweiterungsbau zum Althausbestand in das Gesamtkonzept ein. Vom Wohnzimmer des Erweiterungsbaus führt eine Glasbrücke, die sowohl an der Decke als auch auf dem Boden mit Eichenholz verkleidet wurde, über einen markanten Eichenholzrahmen in die Küche des Althausbestandes. Die Brücke ermöglicht den Blick sowohl in den Erweiterungsbau als auch in den Althausbestand. Somit ist sowohl eine optische als auch eine materielle Einheit zwischen den beiden Objekten hergestellt. Beide verschmelzen zu einer Einheit. Mit den Jahren wird diese noch intensiver werden, da beide Häuser zusehends Patina ansetzen und sich so optisch aneinander angleichen werden.

Text | Jürgen Brandenburger
Fotografie | Adrien Williams

Planung | ACDF Architecture, Maxime-Alexis Frappier, Patrick Morand, Yoanna Anastassova, Kassandra Bonneville, Mireille Létourneau, Romilda Reda, www.acdf.ca Ausführender Architekt | Patrick Morand